Michael Voigt

Michael Voigt, Pfarrer in Guben

Im August 1977 – also noch zu „tiefsten DDR-Zeiten“ – war ich Soldat bei der NVA, offiziell, um das Vaterland gegen den „Klassenfeind“ zu verteidigen, inoffiziell, um die Zeit totzuschlagen. Das macht depressiv. Dann wurde auch noch der Sommerurlaub kurzfristig verschoben, so dass alle meine Pläne im Eimer waren. Was sollte ich tun? Ich fuhr nach Heldrungen zu einer Jugendfreizeit. Das Jugendbegegnungszentrum war damals ausgestattet mit Plumpsklo im Freien und einem Wasserhahn als Badestube. Regnete es zu sehr, durften sich die Mädchen in der Küche waschen. Auf Matratzenlagern unter dem Dach wurde übernachtet. Dort war es auch nachts oft heiß. Das war selbst zu DDR-Zeiten schon das Gegenteil von luxuriös. Dennoch wurde es eine der schönsten Wochen meines Lebens.

Das lag an den rund 20 Leuten, mit denen wir die Woche gestalteten, sangen, lachten, Gottes Wort hörten, wanderten und baden gingen. Und es lag an Gottes Wort, das mich in dieser Woche tief erreichte, tröstete und dafür sorgte, dass ich meinen Studienplatz als Bergbauingenieur in Freiberg zurückgab und Pastor unserer Lutherischen Kirche wurde. Ich weiß es noch wie heute, dass es mir damals vor Freude so vorkam, als ob ich noch nie so wunderschöne Blumen gesehen hätte, wie die in Heldrungen. Und das Haus? Was tat schon das Haus, wenn man dort so erfüllt leben konnte?

Im September 1987 wurde ich selbst Pfarrer in Sangerhausen und war damit für die altlutherische Gemeinde in Heldrungen zuständig. Ich fand das Haus noch genauso wie damals, grundsolide, ordentlich, einfach, einladend. Nun nahm ich das Leben in ihm im Alltag wahr: abendliche Jugendkreise, Bibelstunden, Gemeindefeste am Sonntag und Familienfeiern sind mir in guter Erinnerung. Die Gottesdienste in der Golgathakapelle in einer kleinen, jungen und hörbereiten Gemeinde taten ein übriges, um mir den Ort lieb werden zu lassen. An manchen Wochenenden hatten wir Tagungen und Begegnungen – Übernachtungshäuser wie dieses waren ja zu DDR-Zeiten durchaus selten.

Als ich dann nach der Wende (schweren Herzens) in ein anderes Pfarramt ging, hatten amerikanische Lutheraner, die für den Aufbau im Osten etwas Gutes tun wollten, eine große „Stange Geld“ gespendet, so dass das Haus erweitert und saniert werden konnte. Die Grundsteinlegung habe ich 1992 noch fröhlich mitgefeiert. Über die Einweihung des Ausbaus 1993 habe ich mich dann aus der Ferne von Herzen gefreut.

Seither war ich mit Jugendlichen oder mit meiner Familie schon manchmal wieder zu Gast im Haus; und jedes Mal beglückt es mich, hier zu sein und den lieben Christenmenschen, die das Haus erhalten und in ihm aus- und eingehen, zu begegnen. Und zu sehen, dass es immer weiter geht und das Haus besser, moderner, effektiver wird. Erst kürzlich war ich wieder da… aber das ist eine andere Geschichte.